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Sitzecke seitlich der Bar

Den kühlen Nachtwind noch immer auf der Haut spürend, lotste ich meine Schwester in einen der angesagtesten Clubs New Yorks. Sie ahnte nicht, was sie darin erwartete und kannte Räumlichkeiten in dieser Größe auch nicht. Staunend blieb sie kaum, dass wir durch die Tür waren, stehen. Wie ein neugieriges Kind, fuhren ihre Hände über die polsterartige Bekleidung der Wände, die dem Ganzen wohl etwas Stil verleihen sollten. Nervös schob ich sie nach vorn und blickte mich unauffällig um. "Komm schon, Roza.", drängte ich stets den Gedanken im Hinterkopf haltend, dass die Security meine Waffe entdecken könnte. Dafür würde ich so schnell keine Erklärung finden und mich zudem noch als potenzieller Krimineller einstufen lassen müssen. Wieso hatte ich sie auch nicht irgendwo gelassen, als ich Manhattan verließ? Zwar war es immer besser bewaffnet und somit dem Feind überlegen zu sein, doch gleichzeitig machte es mich auch zu einer tickenden Zeitbombe, die jederzeit entschärft werden konnte. Absichtlich sprach ich mit ihr nicht auf italienisch, denn ihr Talent der Sprachen sollte nicht ganz verschwendet werden. Glücklicherweise erhob sich gerade ein Pärchen aus der Ecke, sodass wir kurzerhand dort Platz nehmen konnten. "Du solltest viel öfters Sprachen einsetzen. Wieso arbeitest Du nicht wieder als Fremdsprachenkorrespondentin?", interessiert blickte ich den braunen Augen meiner Schwester entgegen, die sichtlich verunsichert auswich und die Karte studierte. "Oh wow, sie haben hier eine ganze Seite voller Cocktails." Vorwurfsvoll übte meine Hand Druck aus, sodass sie gezwungen war die Karte zu senken und mich wieder anzusehen. "Roza.."
Mit seinem Seufzen auf den Lippen, resignierte sie und legte eine Hand auf meine. "Es ist nicht so einfach, Silvio. Bitte lass uns ein andern Mal davon sprechen. Den Abend heute möchte ich genießen, außerdem..verschweigst Du mir auch etwas." Nun war es an ihr mir einen Blick, getränkt in Vorwurf und Sorge zu schenken. Einen Mundwinkel betreten nach oben ziehend, zog ich meine Hand unter ihrer hervor und blickte zur nahenden Kellnerin auf. "Gut, lassen wir das.", gab ich trocken von mir und beließ es dabei. Es wäre nicht richtig sie mit hineinzuziehen. "Wir bekommen zwei Salitos Ice." Fragend suchte die Italienerin den eben genannten Begriff auf der Karte, doch ich kam ihr zuvor, ihr die Karte bestimmend aus der Hand nehmend. "Es wird Dir schmecken, vertrau mir." Meine Mundwinkel zuckten ermutigend, während ihr Blick bereits wieder umherschweifte und die Menschen beobachtete, die ihr Unwesen hier trieben. Überraschend schnell ließ man uns die Getränke zukommen, sodass unsere Flaschen schon einen Wimpernschlag später gegeneinander klirrten. Das kühle Getränk nahm mir die Rauheit, die ich noch von der letzten Zigarette spürte ein wenig. Es war ein Abend seit langem, den ich wohl einmal wieder ohne Beobachtung genießen konnte. Würde ich jemandem erzählen, dass ich seit beinahe zwei Jahren nun schon nicht mehr allein irgendwo aus war oder auch nur mit Freunden in einer Bar, würde man mich wohl belächeln. Mein Job war unfreiwillig zum Lebensinhalt geworden und machte es mir nicht sonderlich leicht. Einer dieser normalen, jungen Erwachsenen war ich schon längst nicht mehr. Meine Weste war alles andere als rein.
"Entschuldige mich bitte einen Augenblick, Roza. Ich beeil mich, lass Dich nicht anquatschen, Amerikaner können sehr aufdringlich sein.", rief ich ihr in angemessener Lautstärke zu, ehe ich von der recht gemütlichen Couch aufstand und mich der Bar näherte. Kaum das mich meine Schwester nicht mehr im Blick haben konnte, zückte ich das Handy, um die neusten Erkenntnisse herausfinden zu können. Meine Stirn angestrengt in Falten gelegt, drückte ich mich an einer der Wände herum, an denen ich das Gefühl hatte, mir würde der Bass nicht in den Magen schlagen. "Marcello! Hörst du mich? Ja..nein. Gibt es was neues? Nein. Ja..postiv. Negativ. Pass auf, ich..WAS? Verdammt, die Verbindung ist, hallo??" Verärgert starrte ich auf das Display. Kein Netz. Ich hasste es, wenn wichtige Telefonate unterbrochen wurden, wenn dieses auch sehr abgehackt aussfiel, doch nur so konnte ich mich in der Öffentlichkeit verständigen ohne mich zu verraten. Zumal jeder wusste, wie sehr die Telefonate doch ausspioniert wurden. Kaum mein Handy verstaut, beobachtete ich eine bizarre Szene, nur ein paar wenige Schritte von mir entfernt. Eine elegant gekleidete Lady, die wohl meinem Alter entsprach, hatte sich mit einem aufdringlichen Pack von Kerlen herumzuschlagen. Allem Anschein nach, war sie allein hier oder hatte ihre Begleitung jedenfalls verloren, denn sonderlich wohl schien sie sich unter ihnen nicht zu fühlen, während ihre Worte immer aufdringlicher wurden und sie sich zu dritt der Schönheit näherten. Schnell meinen Kragen zurecht gerückt, tat ich ein paar Schritte auf sie zu und lauschte unauffällig. "Baby, komm schon..ich hab gesehen, wie Du mich angeflirtet hast. Du willst es genau wie ich, meine zwei Freunde hier haben das auch gesehen. SIEH MICH AN." Spätestens jetzt, wo er seine dreckigen Finger unter ihr Kinn legte und sie gegen die Wand drängte, während seine Freunde die Sicht für Gaffende versperrten, wurde klar, wohin das Ganze führen würde, wenn niemand etwas unternahm. So etwas wie Angst kannte ich schon seit langem nicht mehr. Entschlossen trat ich so nahe heran, dass ich dem Hauptdarsteller von hinten auf die Schulter packen konnte. "Entschuldigung, aber wie viel Uhr haben wir?", fragte ich völlig unpassend, dabei natürlich genau wissend, was ich tat.





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